Walstrandungen an der "Ostfriesischen Küste"

 

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Viel Aufsehen erregte im November 1994 die Strandung eines Pottwals auf der Insel Baltrum. "Baltrumer Wal". Sämtliche Medien berichteten (teilweise live) von dem "Ungetüm".

Walstrandungen hat es an unserer Küste schon immer gegeben - nur wurde dieses mangels Rundfunk und Fernsehen kaum bekannt. Jedoch gab es immer wieder Chronisten, die solche Situationen schriftlich und teilweise auch zeichnerisch festhielten. Auch "Flugblätter" wurden in den vergangenen Jahrhunderten angefertigt. So wird auch von unserer Küste berichtet, daß es bereits im Jahre 1312 eine Walstrandung vor Juist gegeben hat. Meistens fehlen bei solchen Überlieferungen die Quellen und somit gelten diese Daten als nicht zuverlässig.
Sicher aber ist, daß in den vergangenen Jahrhunderten die Wale auf ihren Wanderwegen
vermehrt vor unserer Küste auftraten und dementsprechend häufig von den Besatzungen der Segelschiffe gesichtet wurden.
Eine der ältesten Nachrichten über das Vorkommen von Walen an unserer Küste, ist Eggerik Beninga von Grimersum, der von 1490 bis 1562 lebte, zu verdanken. In seiner "Chronik van Ostfreeslant", schreibt er unter anderem:
"In dussem jaer (1549) in voorsommer wurt in Ostfreeslant an een Eylant Norder Nye Oog (Norderney) genant, een junck Walfisch, welcke daer beebbet was, gefangen, und syne lengte mit dem schwantze gewest tein fadem. Die schwantz ist geweest twee fadem breet, und tuschen de ogen des Walfischs was de kop breet twee fadem. Und daer is so vele
tranes af gekamen, wat tein wagens foeren kunden." Rechnet man 1 Faden (ca. 1,80m) gleich 6 Fuß, so wäre der Wal demnach 60 Fuß, also annähernd 20 Meter lang gewesen. Da zum Aussehen des Wals keine Angaben gemacht werden, kann man nur Vermutungen anstellen, welche Walart hier gefangen wurde.

David Fabricius, Pastor und Astronom, hat sogar auf seiner Karte von Ostfriesland einen Wal abgebildet. Dieser Wal trieb nach einem schweren Unwetter am 26. November 1580 bei Dornumergrode an. Auf der Karte ist die Größe des Wals mit 60 Fuß Länge und 30 Fuß Umfang angegeben. Laut Ufke Cremer ist dies auch derselbe Wal, der von späteren
Geschichtsschreibern mit anderen Maßen und Daten erwähnt wird.

Eine ausführlichere Beschreibung über die Strandung eines Wals finden wir vom Lehrer
Hartmann aus Jemgum. In der Chronik von Ostfriesland, in der von einem "See-Einhorn" an der Dollartküste berichtet wird.
Im Jahre 1669 im März ist am Ufer des Dollart, dem Landdeich gegenüber, (Bunderhammrich) ein großes See-Einhorn aufs Trockene gekommen und dort verendet. Die Leute vom Hammrich sahen von ferne die Sonne auf den großen Leichnam scheinen und gingen voller Neugierde hin, um zu erkennen; so fanden sie das unbekannte Tier. Sein Körper war 17 Fuß (1Fuß entspricht ca. 30 cm) lang, das Horn frei gedreht und geschlungen, 7 Fuß lang. Die Brust glich der des Pferdes. An Stelle der Füße saßen Flossen, die die Form großer Schweineschinken hatten. Das Hinterteil war wie ein Fisch und der glattliegende Schwanz wie ein Boot gestaltet. Die Hammrichsleute hatten den ganzen Winter Licht davon (von dem ausgebratenen Tran). Die Jemgumer nahmen das Horn mit, aber unsere Fürstliche Gnaden ließen es uns abholen.

Bei dieser Darstellung ist eindeutig von einem "Narwal" Monodon monoceros, die Rede.
Außerdem kann hier von einem männlichen Tier ausgegangen werden, da nur dieser einen Stoßzahn, der bis zu maximal 3 m lang werden kann, besitzt. Ca. 3% der Weibchen bilden einen dünnen Stoßzahn, der selten länger als 1,20m wird. Die Heimat der Narwale liegt in extrem nördlichen Breitengraden in Verbindung mit Packeis.

Eine weitere Narwalsichtung an der deutschen Küste hat es nur noch am 31.01.1736 bei
Neuhaus, an der Ostemündung der unteren Elbe gegeben. Das zeigt, wie selten sich diese Wale hierher verirren. Was aus dem Stoßzahn des Jemgumer Narwals geworden ist, ist nicht bekannt. Von solchen Dingen wurden zur damaligen Zeit u.a. auch mit silbernen Griffen versehene Spazierstöcke angefertigt.

Auch Balthasar Arends, von 1675 bis 1687 Pastor in Berdum, zeichnete verschiedene
Ereignisse seiner Zeit auf. So berichtet er u.a.:

"1683 den 1. April am Palmsonntage strandete an Langeooge ein großer Fisch, 3 Faden lang (1 Faden entspricht ca. 1,80m), aus welchem die Einwohner an die 130 Kroß des besten Thrans, so je mag gesehen sein, gebrannt haben. Einige hielten diesen Fisch für einen Springer (Buckelwal?), andere für einen Nord Carp (Nordkaper), die meisten aber für einen frembden unbekannten Fisch."

Bei der Größe von knapp 6 m kann es sich entweder nur um ein Jungtier der oben genannten Walarten, oder aber tatsächlich um eine vollkommen andere Walart gehandelt haben.

Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden allmählich konkrete, auf Untersuchungsmaterial begründete wissenschaftliche Darstellungen über Wale und Walstrandungen. Trotzdem kam es noch vor, dass immer wieder falsche Angaben zur Artbestimmung gemacht wurden.
Auch in unserem Jahrhundert setzte sich die Unwissenheit über Art und Aussehen dieser großen Meeressäuger fort. Da sich die zumeist tot angespülten Wale, besonders die Furchenwale, durch Verwesung aufblähen, dreht sich ihr Körper auf die Seite oder er legt sich ganz auf den Rücken. Bei einem solchen Anblick kann es leicht vorkommen, dass ein Buckel- oder Finnwal für einen Grönlandwal oder einen Nordkaper gehalten wird.

Der Amtmann Kettler aus Berum hat über Norderney, damals zum Amte Berum gehörend
folgendes festgehalten: Er schreibt am 24. Sept. 1770:

"Als etwas Besonderes verdienet noch bemerket zu werden, daß ein Norderneyer Schiffer in diesem Monat das Glück gehabt hat, einen jungen Walfisch von circa. 20 Fuß lang, in der Gegend von Norderney zu fangen. Er hat auf einer Plate gelegen, doch so, daß der Schiffer mit dem Schiffe nahe bei ihm hat kommen können. Anfänglich hat man geglaubet, daß er todt wäre. Wie man aber gesehen, daß er noch lebete, hat man ihn an das Ankertau befestigt und durch einige ihm in dem oben an seinem Kopfe befindlich gewesenen Luftloche, mit einem an einem Stocke befestigtem Meßer, beygebrachte Stiche getödtet, welches aber nicht ohne Gefahr des Schiffes zugegangen. Nachgehends hat man den Speck davon geschnitten und drey Wagen Frachten voll davon auf Norderney gebracht."

Dieser Bericht lässt erahnen, wie Risikoreich es war, mit ungeeignetem Gerät einen Wal zur Strecke bringen zu wollen. Verarbeitet wurden fast alle Teile vom Wal, die geborgen werden konnten. Die großen Rippenknochen wurden sogar zum Bau von Scheunen oder großen Stallgebäuden verwendet. Auch wurden die Zähne der Pottwale und andere Teile zum Ausbau von Brunnen verarbeitet. Sogar Sitzbänke wurden aus den Knochen angefertigt und mancher Rückenwirbel der Wale diente als Fußschemel.

Besondere Bedeutung erhielten zwei Walstrandungen vor Borkum. Laut Daten im
Heimatmuseum von Borkum, strandete Im Jahre 1762 ein ca. 15 Meter langer Wal auf dem
"Hohen Hörn". Die Borkumer bargen den Speck des Tieres und gewannen daraus den
begehrten Tran. Die Plate, 2,4 sm NW vom Leuchtfeuer Memmert, erinnert noch heute an
einen Pottwal, da sie den Namen Kachelots-Plate trägt. Ein anderer, französischer Name für den Pottwal lautet u.a. "Cachalot". Im Jahre 1762 sind auch an der nordholländischen Küste und auf den westfriesischen Inseln (Texel, Vlieland, Terschelling) insgesamt mindestens neun Pottwale festgestellt worden. Außerdem sind in diesem Zeitraum auch bei Scharhörn und Neuwerk wenigstens zwei Pottwale gestrandet. In den Jahren 1761/62 sind auffallend viele Pottwale an der Nordseeküste aufgetreten - an den Küsten aller Nordseeanrainer strandeten insgesamt 21 Pottwale.

Ein Wal von 18 Metern Länge treibt im Jahre 1848 an den Strand der Insel Borkum. Allein der Unterkiefer soll eine Länge von 4,50 m gehabt haben. Auch in diesem Fall machten sich die Einwohner auf, um den Speck zu Tran zu verarbeiten.

In einer stürmischen Herbstnacht strandete 1849 ein toter Wal am Borkumer Strand. Ein
Strandläufer, der in der Nacht den Strand nach etwas Brauchbarem absuchte, hatte den toten Wal entdeckt. Um schnell an diese Beute zu kommen, eilte er klammheimlich nach Hause, um mit vertrauter Mann- und Gerätschaft in kürzester Zeit wieder zurück zu kommen um einen Vorsprung an der fetten Beute zu gewinnen. Trotz aller Heimlichkeiten war, bevor der Tag zur Neige ging, alles auf den Beinen um einen Anteil an dem Riesentier zu erlangen.

Noch nach Jahren fand man bei den Borkumern hier einen Fußschemel, und dort ein Brett
zum Abtreten vor der Tür, welches einst zum Knochengerüst des gestrandeten Wales gehörte. Alles wurde verwendet. Ein Jahr nach der Strandung wird folgende Begebenheit geschildert: "Nur die Reste der gänzlich unbrauchbaren Abfälle, so berichtet der Generalsuperintendent Bartels, aber waren es gewesen, die bei stark bewegter See wieder aus dem Sand hervorgeschlagen und stark in der Verwesung vorgeschritten, uns Badende zu Fall gebracht und mit ihrem penetranten Modergeruch schier aus dem Wasser gejagt hätten, wären die Wellen nicht gar zu schön, und wir mit einigen Schritten aus dem Bereich dieser abscheulichen Atmosphäre herausgewesen."

Im März 1955 berichtete die Norderneyer Badezeitung von einer Walstrandung. Am 25.03.1955 trieb gegen 10 Uhr bei der Segelbuhne am Weststrand von Norderney ein etwa 7 m langer Seiwal tot an. Bei diesem Tier handelte es sich um einen noch nicht ausgewachsenen Wal, welcher schon stark in Verwesung übergegangen war. Der Kadaver wurde auf dem sogenannten Pferdefriedhof an der Straße zum Leuchtturm auf Norderney begraben.

Auch hier wurde irrtümlich von einem gestrandeten Blauwal berichtet, der aber von Dr. Fr. Goethe als ein noch nicht ausgewachsener Seiwal identifiziert wurde. Der Seiwal, nach dem Finnwal die häufigste Furchenwalart im Nordatlantik, war bisher in deutschen Gewässern nicht nachgewiesen worden. In den benachbarten Niederlanden wurde er bislang zweimal festgestellt. Seiwale, Balaenoptera borealis, werden aufgrund ihres Aussehens häufig mit anderen Walarten, wie z.B. den Brydewal, Finn,- Zwerg,- sowie dem Blauwal verwechselt.
Erwachsene Tiere werden 12 bis 16m lang und können 20 bis 30 Tonnen wiegen. Sie sind
weltweit verbreitet, doch überwiegend in tiefen gemäßigten Gewässern.

Die Besatzung des Lotsenschiffes "Kapitän Bleeker" sichtete und fotografierte im Juni 1967 in der Westerems, etwa 7sm vor Borkum, einen großen Wal. Dieser Wal, ein Schwertwal (Orcinus orca) strandete am 26.06.1967 noch lebend auf der Runden Plate vor Borkums Badestrand, bei ablaufendem Wasser. Die Versuche, einer Einheit der auf Borkum stationierten Marine, das Tier durch Begießen mit Wasser und Auflegen feuchter Säcke nass und lebendig zu halten scheiterten. Auch die Bemühung des Seenotrettungskreuzers "Georg Breusing", das Tier mit einem an der Fluke (Schwanz) befestigtem Seil wieder ins tiefere Wasser zu schleppen, missglückte. Die ganze Rettungsaktion wurde auch von einem Hubschrauber unterstützt.



Das stark geschwächte, offenbar kranke Tier, wurde aufs Neue angespült und durch einen
Fangschuss von seinen Qualen befreit. Nachdem dieses Tier in totem Zustande abermals
abtrieb, wurde es von mehreren Schiffen verfolgt und schließlich nach 24 Stunden von der
Georg Breusing nach Borkum geschleppt.
Bei diesem Tier handelte es sich um einen Schwertwal "Orcinus orca" von 5,50 m Länge. Schädel und Skelett des Tieres befinden sich noch heute im Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt a. M. Das Skelett ist auch auf einer Bildpostkarte von Frankfurt, aus dem Jahre 1970, abgebildet.

Es liegen noch viele ungeklärte Fälle von Walstrandungen an unserer Küste vor, die man leider nicht mehr Zuordnen kann. So wird u.a. im Borkumer Heimatmuseum von Strandungen berichtet, die wegen Fehlens von Quellen, nicht verbürgt werden können.

Häufig werden erkrankte Tiere an unsere Küste angeschwemmt, aber warum viele Wale,
teilweise in großen Gruppen, anstranden, ist bis heute noch unklar. Es werden viele
Spekulationen ausgesprochen, wie z.B. die Theorie, dass Störungen im Erdmagnetfeld die
Tiere in die Irre leiten und in flachen Gewässern stranden lassen. Außerdem
Orientierungslosigkeit durch Umwelteinflüsse oder Störungen im Sonarsystem

Günther Behrmann vom Alfred Wegener Institut schreibt u.a.:
Wale kommunizieren untereinander. Nach bestimmten Tönen des Leittieres wird gemeinsam gezielt gehandelt, was einer Sprache gleichzusetzen wäre. Wale erkennen die Grenzen ihres Lebensraums und finden ihre Nahrung durch Echolokation. Das heißt, sie erzeugen Töne, deren Echo dann der Orientierung dienen. Bekannt geworden sind Schallwellen zwischen 12 und 320000 Schwingungen in der Sekunde (Hertz =Hz) des Leittieres. Was aber letztendlich die Massenstrandungen von Walen verursacht ist wissenschaftlich noch nicht geklärt und muss noch analysiert werden.

Das sogenannte Kampf- und Fluchtsyndrom (Fight and Flight-Syndrom) ist bei gestrandeten Walen die Ursache für ihren Tod. Die verzweifelte Situation des Wals verursacht soviel Streß bei dem Tier, daß hier viele körperliche und physische Wirkungen zusammentreffen. 

Die Auswirkungen des Schocks und der Todeskampf haben zur Folge, dass Bakterien aus dem Darmkanal über Blut- und Lymphbahnen im Körper verteilt werden und die Fäulnisvorgänge einleiten. Durch die hohe Körperinnentemperatur wirken zusätzlich freigesetzte körpereigene Enzyme besonders intensiv.

Größere Wale haben kaum Chancen, eine Strandung zu überleben. Bei einem Pottwal wird die Situation noch verschärft, weil dieser durch seine ovale Körperform grundsätzlich im trockenen auf die Seite fällt. Fällt er dabei auf die linke Seite, gerät das etwas links aus seiner Kopfmitte liegende Blasloch meistens unter Wasser, in den Sand oder in den Schlick und der Wal erstickt in der Regel innerhalb kürzester Zeit. Fällt der Körper dagegen auf die rechte Seite, so daß der Wal noch atmen kann, wird der Todeskampf manchmal bis zu einem Tag hinausgezögert.  

Experten setzen sich in diesem Falle für eine Tötung des Wals ein, um ihm ein qualvolles Ende zu ersparen.

© A. Schmidt

Quellen:

 

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